Casual Learning – Bildung anders denken Untersuchung eines kreativen Bildungsansatzes der Organisation finep

Autor: Bohlen, Amélie Dorothea
Jahr: 2017

Masterarbeit, Philosophische Fakultät, 134 Seiten, dt.

Zusammenfassung:

Bildung soll Kinder, Jugendliche und Erwachsene befähigen, aktiv an der Gesellschaft teilzuhaben, Verantwortung zu übernehmen und selbstbestimmt zu leben. Im Zuge rasanter gesellschaftlicher Veränderungen reichen herkömmliche Lehr- und Lernmethoden  jedoch nicht mehr aus, um Menschen als Orientierungshilfe in einer globalisierten Welt zu dienen (vgl. Seitz 2007). Globale Vernetzung, soziale Ungleichheit und grenzüberschreitende gesellschaftliche Probleme – ökologischer, ökonomischer, sozialer und  kultureller Art – fordern ein Umdenken in der Bildungsarbeit. Hier setzt Casual Learning an – eine kreative Bildungsmethode der Nichtregierungsorganisation finep (forum für internationale entwicklung + planung). Es handelt sich hierbei um eine Bildungsmethode, die neue Zielgruppen auf spielerische, unterhaltsame und öffentlich wirksame Weise für Themen der nachhaltigen Entwicklung sensibilisiert. Mit Hilfe sogenannter Casual Learning-Tools werden grundlegende Informationen zum Thema  Nachhaltigkeit vermittelt sowie konkrete Optionen für das eigene aktive und nachhaltige Handeln übermittelt.

Die vorliegende Arbeit hat zum Ziel, die Methode Casual Learning verständlich darzustellen, wissenschaftlich zu fundieren und konkrete Casual Learning-Tools zu untersuchen. Den Rahmen der Arbeit bildet eine Kooperation mit der Organisation finep, innerhalb derer die Entwicklung eines Casual Learning-Tools begleitet und die vorliegende wissenschaftliche Arbeit verfasst wurde. In dieser werden Lernpotenziale und Grenzen der Methode für die Bildungsarbeit aufgezeigt und kritisch reflektiert. Wie lassen sich mit Hilfe eines Nähsets Mechanismen der globalen Textilindustrie erklären? Kann ein Murmelspiel dazu beitragen, Lebensmittelverschwendung zu reduzieren? Wie behandelt eine interaktive Installation das Thema moderne Sklaverei? Und wie können Bierdeckel dazu  eingesetzt werden, das Thema regionale und faire Lebensmittel zu vermitteln?

Mit Hilfe relevanter Studien und Untersuchungen aus den Bereichen Museumspädagogik, Gamification und öffentlicher Kommunikation lässt sich die Methode Casual Learning wissenschaftlich verorten. Interaktive Lerngegenstände oder Installationen, die mehrere Sinne ansprechen, steigern die Aufmerksamkeit und erhöhen die Motivation, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Die Nutzung von Gamification oder spielbasierten Elementen bietet die Möglichkeit, Lernprozesse unterhaltsam zu gestalten und somit einen positiven Einfluss auf Verhalten zu bewirken. Besonders in Lernkontexten kann die Anwendung von spielbasierten Elementen den Lernprozess positiv bestärken und eine kreative Alternative zu herkömmlichen Lernmethoden bilden. Psychologische Erkenntnisse aus dem Bereich der öffentlichen Kommunikation verdeutlichen, dass intensive Reize – wie knallige Farben, überraschende Überschriften oder emotional ansprechende Bilder – dazu genutzt werden können, Informationen aufzunehmen und diese besser zu erinnern. Außerdem können kreative Maßnahmen die Aufmerksamkeit und Akzeptanz der AdressatInnen erhöhen.

Die Arbeit lässt sich in zwei Teile – Theorie und Praxis – untergliedern. Zunächst werden die LeserInnen in die Thematik eingeführt und der Aufbau der Arbeit wird skizziert. Hierzu wird die Arbeit in den Kontext der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) eingeordnet, da dieser den inhaltlichen Ausgangspunkt für die Methode Casual Learning darstellt. Es folgt die Vorstellung der Organisation finep mit ihren Arbeitsschwerpunkten- und Zielen. Um das Vorgehen bei der Entwicklung eines konkreten Casual Learning-Tools darzustellen, werden die Prozessschritte der Entstehung am Beispiel eines Tools zum SDG 9 vorgestellt. Im theoretischen Teil der Arbeit werden die einzelnen Begriffe sowie anschließend das Konzept von Casual Learning definiert und Bezüge zu den wissenschaftlichen Bereichen Museumspädagogik, Gamification und öffentliche Kommunikation hergestellt, mit deren Hilfe sich Casual Learning wissenschaftlich verorten lässt. Nachdem diese Bereiche und ihr Bezug zu Casual Learning dargestellt werden, liegt der Fokus im praktischen Teil auf die Analyse der Casual Learning-Tools. Dazu werden alle der bis dahin knapp 50 entwickelten Tools untersucht und in ein Kategoriensystem eingeordnet. Die Kategorien sind zum einen durch Nachweise aus der Theorie,  zum anderen durch Erfahrungswerte aus der Praxis entwickelt. Es werden beispielhaft drei tools ausführlich analysiert und deren Lernpotenziale sowie Grenzen kritisch reflektiert. Die Arbeit schließt mit Fazit und Ausblick ab.

Die wissenschaftliche und auch praktische Auseinandersetzung mit Casual Learning zeigt, dass Möglichkeiten zum Lernen überall gegeben sind und macht deutlich, dass Bildung nicht auf formale oder institutionalisierte Kontexte beschränkt ist, sondern auch ganz anders – eben casual – gedacht werden kann. Durch spielerische und interaktive Elemente beim Lernen können Lernprozesse lebendiger, unterhaltsamer, aktivierender und autonomer gestaltet werden. Diese sowie weitere Erkenntnisse aus dem (Social) Marketing und aus Verhaltens-  und Neurowissenschaften können für die praktische Bildungsarbeit intensiv(er) genutzt werden. Gerade im Bereich der BNE und im Kontext nachhaltiger Entwicklung ist es äußerst relevant, Informationen zum nachhaltigen und fairen Handeln zu vermitteln, um Verhaltensweisen zu hinterfragen und Handlungsalternativen anzuregen.Im Zuge rasanter Globalisierungsprozesse, in der Menschen mit einer Fülle von Handlungsoptionen konfrontiert werden, nimmt erfolgreiche Bildungsarbeit zu gesamtgesellschaftlichen und globalpolitischen Themen einen wichtigen Stellenwert ein. Besonders zu diesen komplexen und kontroversen Themen kann Casual Learning den Zugang ebnen und Denkanstöße sowie Handlungsimpulse für eine Auseinandersetzung bereitstellen.