Wie nachhaltig ist mein Handy?

(München, 1.7.2019). Natürlich war die Einstiegsfrage von Quentin Kameni aus Kamerun: „Wer von Euch hat kein Handy?“, eine rhetorische Frage. Doch schon bei der zweiten Frage: „Wer von Euch hat ein Handy mit austauschbarem Akku?“, ging ein leises Raunen durch den Raum. Mit diesem Nachhaltigkeitsthema beschäftigte sich am 25.6.2019 die Klasse VM 12a an der Städt. Berufsschule für Versicherungs- und Personalwesen in München im Rahmen der Lehrkooperation „Grenzenlos - globales Lernen in der beruflichen Bildung“ im Unterricht.

Kameni, der Mechatronik Student aus Erlangen, erzählt zunächst von seinem Schulleben in Kamerun und zeigt Bilder. Interessiert fragt ein Schüler, „welches sind denn in deinen Augen die größten Unterschiede zwischen Kamerun und Deutschland?“, worauf Quentin spontan antwortet, „alles ist einfach anders …“. Den Schüler/-innen wird schnell klar, dass wir in Europa, insbesondere in Deutschland, hinsichtlich Bildung, Gesundheitswesen und Lebensstandard privilegiert sind. Das wissen wir eigentlich alle. Doch wenn diese großen Worte aus dem Mund eines jungen Menschen kommen, haben sie ein anderes Gewicht.

Kameni ist erstaunt, als die Schüler/-innen mittels Kartenabfrage sämtliche Rohstoffe eines Handys aufzählen können. Doch unter welchen Bedingungen würden diese Rohstoffe teilweise gewonnen? Der Referent zeigt eine kurze Videosequenz: Ein achtjähriger Junge, mit Schlamm überschüttet, seine Mutter verstorben, muss täglich viele Stunden unter menschenunwürdigen Bedingungen schuften, für einen Lohn, der gerade zum Überleben reicht. Bedrückende Stille breitet sich im Klassenzimmer aus. Auch die Entsorgung der Handys in Ghana, dessen zweiter Name „Müllhalde Europas“ ist, stimmt nachdenklich. Ein Clip zeigt das Leben der ohnehin schon armen Menschen im Elektroschrott Europas.

Es wird darüber diskutiert, wer die Gewinner und die Verlierer in der Herstellungskette eines Handys seien, schließlich liege der Preis  eines Handys mehr als über dem 10-fachen der Herstellungskosten. Warum erhielten nicht alle am Prozess Beteiligten einen fairen Lohn, fragte eine Schülerin?

In einem Planspiel sollen die Schüler*innen die Zusammenhänge erfassen. Verschiedene Gruppen werden gebildet: Chinesische Regierung, Coxfonn Unternehmensleitung (größter Elektronik-fertigungsbetrieb der Welt), Carrot Unternehmensleitung (Smartphonekonzern), Coxfonn Arbeiter*innen, Verein „Arbeitsrechte Jetzt!“, Deutsche Zeitung und Chinesische Staatszeitung. Jede Gruppe erstellt einen Strategieplan, sammelt Argumente, überlegt mit wem sie sich verbünden können und wen sie von ihrer Meinung überzeugen wollen, um ihre Interessen durchzusetzen.

Während die Presse Meldungen lauthals verkünden darf, kommunizieren die anderen Gruppen nur schriftlich miteinander und versuchen ihre Ziele zu realisieren. In einer Abschlusskonferenz bei der chinesischen Regierung werden die Standpunkte dargelegt. Es kommt zu einer hitzigen Diskussion und es wird deutlich, wie intensiv sich die Schüler/-innen mit ihren Rollen identifizieren. Die chinesische Regierung zieht sich zurück, berät sich und verkündet eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Viel besser fühlen sich die Arbeiter/-innen in den Fabriken dennoch nicht. Es stellt sich heraus, dass nicht alle Meldungen der Presse, insbesondere der chinesischen, korrekt waren. Die Macht der nach Profit strebenden Konzerne, Falschmeldungen der Presse, Korruption und die Machtlosigkeit jener am Ende der Prozesskette werden deutlich – wie im wahren Leben.

Autorin: Sabine Konrad