Autor: 
Seidler, Lilian
Jahr: 
2020
Preis: 
0,00€

Masterarbeit, Fachbereich Gesellschaftswissenschaften und Philosophie, 103 Seiten, engl.

Zusammenfassung:

Soziale Ungleichheiten und Klimawandel gehören zu den aktuell drängendsten Problemen, für die lokal und global Lösungen gefunden werden müssen. In meiner Masterarbeit habe ich mich damit beschäftigt, wie Equity, Diversity and Inclusion (EDI) in der Entwicklung entsprechender Lösungen mitgedacht werden können und müssen. Die Kombination aus den drei Begriffen definiert hier eine Atmosphäre, die die Einzigartigkeit und freie Entwicklung jedes Teammitglieds ermöglicht und zelebriert und gleichzeitig die sozial konstruierte Natur von Identitätskategorien und deren Wurzeln in historischen Unterdrückungssystemen anerkennt, die in individuellen, in situationellen und kulturellen Interaktionen und Normen perpetuiert werden.

Die Arbeit habe ich im Forschungsparadigma der Aktionsforschung durchgeführt. Dementsprechend war ich Teil des Forschungskontexts und habe mit den dort Agierenden ein Forschungsteam gebildet. Wegen dieser spezifischen Vorgehensweise situiere ich zunächst die Arbeit und Forschungsfrage im Kontext und erläutere anschließend Vorgehen und Ergebnisse.

Das Weltbild, in dem die Arbeit entstanden ist, sieht tiefgreifende Änderung im aktuellen gesellschaftlichen System als Möglichkeit gravierende gesellschaftliche Probleme- wie z.B. Klimawandel und soziale Ungleichheiten- zu lösen. Dieser gesellschaftliche Wandel wird auch socio-ecological transition genannt und beschreibt die Ablösung des dominanten gesellschaftlichen Paradigmas und deren Institutionen durch nachhaltigere und gerechtere Formen des Zusammenlebens.

Dieser Wandel geschieht durch soziale Innovationen. Das sind neue Wege, Dinge zu tun, zu framen, zu wissen und zu organisieren. Experimente mit solchen innovativen Praktiken geschehen meist in gesellschaftlichen Nischen. Wenn sie erfolgreich sind, verbreiten sie sich von dort aus zunehmend in der Gesellschaft, werden institutionalisiert und lösen dadurch das alte Paradigma ab. Das three dimensions framework (3D framework) von Strasser et al. (2019, 2020) konkretisiert, unter welchen Umständen solche Innovationen erfolgreich darin sind, transformativen Wandel herbeizuführen. Je tiefer, langfristiger und weiter die Verankerung von sozialen Innovationen in der Gesellschaft, desto größer ist ihre transformative Wirkung. Strasser et al. definieren weiter Fähigkeiten, die notwendig sind, um diese Wirkung zu vertiefen, auszuweiten und zu verlängern. Das 3D Framework kann von Praktizierenden und Forschenden genutzt werden, um Anstrengungen soziale Innovationen zu entwickeln zu analysieren und evaluieren.

In der vorliegenden Arbeit habe ich das 3D Framework im Rahmen des BLAST Projekt- einer sozialen Innovationsinitiative- untersucht. BLAST steht für Blendend Adult Learning for Socio-ecological Transition und ist ein EU-gefördertes Projekt, dass mit neuen Wegen experimentiert Lernkontexte zu schaffen, Lernziele zu setzen und Kriterien aufzustellen, nach denen Lernen bewertet wird. Das BLAST-Team wendete das 3D Framework an, um seine eigene transformative Wirkung zu evaluieren.

Ähnlich wie in vielen sozialen Innovationsinitiativen mangelte es im BLAST-Projekt an Konzepten für eine erfolgreiche Auseinandersetzung mit EDI in der Projektarbeit und deren Ergebnissen. Auch im 3D Framework waren Aspekte von EDI nicht genau spezifiziert. Da aktive Arbeit an EDI verspricht die transformative Wirkung von innovativen Lösungen zu vertiefen, zu erweitern und zu verlängern, entstand die Fragestellung danach, wie Equity, Diversity, and Inclusion (EDI) als Teil des 3D Frameworks konzeptualisiert werden kann.

Dafür habe ich untersucht, welche Muster im BLAST Projekt in der Arbeit mit und der Evaluation von EDI auftreten, um dann diese Ergebnisse auf eine kontextspezifische adaptierte Version des 3D Frameworks zurück zu beziehen. Der grobe Ablauf der Forschungstätigkeit orientiert sich dabei an den drei Schritten der Empowerment Evaluation nach Fetterman- Etablierung der Mission, Bestandsaufnahme und Planen für die Zukunft. Innerhalb dieser, sich teils überlappender, Schritte bin ich mit dem Forschungsteam wiederholt zirkuläre Iterationen durchlaufen, in denen wir Handlungsschritte planten, durchführten und deren Wirkung reflektierten. Im Laufe dieser Iterationen habe ich kontinuierlich verschiedene Daten gesammelt, zum Beispiel Transkripte von Fokusgruppensitzungen, Feldnotizen oder schriftliches Feedback der Teilnehmenden.

Mithilfe einer thematischen Analyse habe ich am Ende des Prozesses aus den gesammelten Daten Muster herausgearbeitet. Bei einer Reimmersion ins Feld habe ich diese Muster durch semi-strukturierte Interviews überprüft und weiter verfeinert. Die daraus entstandenen finalen Muster habe ich anschließend in eine, auf den Kontext von BLAST zugeschnittene, Version des 3D Frameworks integriert.

Die Änderungen bestanden dabei im Anpassen und Hinzugefügen von weitenden, verlängern den und vertiefenden Fähigkeiten. Beispielsweise wurde EDI in der vertiefende Kategorie „understanding and problematizing root causes of problems in established systems“ explizit gemacht, indem gezielt die Begriffe oppressive systems and power structures hinzugefügt wurden. Die Integration anderer Muster aus der vorhergegangenen Analyse war komplexer und erforderte das Formulieren neuer Fähigkeiten. Als Beispiel lässt sich die neu gebildete verlängernde Fähigkeit “Creating a supportive and engaging group culture“ nennen. Diese war aus der Beobachtung hervorgegangen, dass die Bearbeitung von EDI es voraussetzt, dass Gefühle in der Gruppe geteilt und disruptive Dynamiken sichtbar gemacht werden.

Während einige adaptiere Fähigkeiten sehr kontextspezifisch anmuten, scheinen andere potentiell generalisierbar. Die hier erarbeitete Version des 3D Frameworks gibt zukünftigen Forschen den und Praktizierenden wichtige Hinweise für die Konzeptualisierung von EDI im 3D Framework im Speziellen und die Integration von EDI in transformative Arbeit im Allgemeinen. Die Arbeit endet mit der Diskussion von Anknüpfpunkten für weitere Forschung, zum Beispiel in anderen Kontexten und in Gruppen mit anderen geographischen Zusammensetzungen.